Dr. Gerhard Charles Rump über Dorothee Knell

Farbe und Fühlen

Zum Werk von Dorothee Knell

Die Vielfalt ihrer ästhetischer Gestaltungsmöglichkeiten ist immer wieder faszinierend. Natürlich liegt hinter dieser so vielfältig präsentierenden Oberfläche immer der eine, universale Wille zum künstlerischen Ausdruck, der im Laufe des Zivilisationsprozesses ganz offenbar zu einer wichtigen menschlichen Antriebsfeder geworden ist. Wir wissen ja, dass schon zu Zeiten der Höhlenmenschen eine hochentwickelte Kunst existiert hat – und das in Zeiten, in denen die wirtschaftliche Entwicklung eher danieder lag. Fazit: man kann sagen, dass Kunst wichtiger ist als Wirtschaft. So frivol das klingen mag, hat es einiges für sich.

 

Wir haben auch in unseren westlichen Zivilisationen einen großen Anteil von Menschen, die kreativ arbeiten. Kreativ im Sinne eines Herangehens an eine künstlerische Weltbewältigung, die zu sehr vielen, hoch interessanten künstlerischen Werken und Oeuvres führt. Bei den Künstler-Oeuvres unterscheidet man zwei Haupt-Typen: das geschlossene und das offene.

 

Das geschlossene Werk bleibt sich phänotypisch stets treu, Früh- und Spätwerk liegen stilistisch und konzeptuell nicht weit auseinander.

 

Das offene Oeuvre besitzt, in der Gesamtheit, oft aber auch im Einzelwerk, Ähnlichkeiten mit dem, was Umberto Eco in seinem Buch „L’opera aperta“ beschrieben hat: Mehrdimensionale Lesbarkeit als Reaktion auf die Einsicht, dass man alles in der menschlichen geistigen Tätigkeit als ein non-finito begreifen kann, als etwas in einem Prozess Befindliches, noch zu Vollendendes begreifen kann.

 

Dorothee Knell schafft ein Oeuvre, das ein breiten Zugang zu den Dingen hat, und  dem zweiten Typ entspricht, weil durchaus unterschiedliche Gestaltungstechniken zum Tragen kommen.

 

Eines der wichtigsten Elemente ist, dass die Umriss-Linie und die Farbfeldgestaltung nicht deckungsgleich sind. Der Kontur ist keine Grenze von Farbe, sondern  – vor allem, wenn farblich konkretisiert – ein gleichsam autonom figurierendes, sinnlich aufgeladenes Bildelement; die Farbflächen tendieren weg von der Lokalfarbigkeit und hin zu einem variablen Chiaroscuro mit lyrischen und dramatischen Übergängen.

 

Motivisch an der Lebenswelt orientiert, ergibt sich ein spielerisches Panorama der conditio humana, und wir alle wissen, das Spiel eine ernste Sache ist. Natürlich liegt das auch an der energischen Leichtigkeit, mit der der Pinselstrich, auch wenn er fragmentarisch und oft sparsam ist, Bilder heraufbeschwört.

 

Was so mühelos wirkt, ist ein Konzentrat bildlicher Erfahrung, auch historischer Art. Das hat nichts mit Kontrafaktur oder Zitat zu tun, viel aber mit mit dem Geist von historischen Vorlagen, der durch die Bildstruktur schimmert und im Betrachter – wie eine Seelenharfe – Erinnerungen anklingen lässt.

Bisweilen sprechen die Bilder im autonomen, im abstrakten Idiom und meinen nur sich selbst. Das ist kein Selbstgespräch, sondern ein Dialog averbaler Natur: Bildkommunikation verlässt das Reich der Semantik und erkundet die Welt von Stimmungen und Gefühlen, der reine ästhetische Klang regiert, die Anmutung setzt sich die Krone auf!

Dr. Gerhard Charles Rump  (August 2017, Kunsthistoriker)